Dienstag, 29. November 2016

Ciao, pädagogisches Tabu


Fortsetzung vom 27.11.

Wie kommt es, dass wir uns die Frage nach der Selbstverantwortung
des Kindes nicht stellen? Die einfachste Antwort darauf ist, dass es
eben eine völlig sinnlose Frage ist. Denn da Kinder nicht Verantwor-
tung für sich übernehmen können, braucht man auch nicht danach zu
fragen. Ja, eine Frage danach wäre ein unsinniger Gedanke, so, wie
wenn man etwas sieht, das gar nicht existiert. Diese Antwort wird
uns von dem traditionellen Umgang mit Kindern gegeben und von
der zugehörigen Wissenschaft, der Pädagogik. Es ist so, dass sich
diese Lehre vom Umgang mit Kindern auf Sätzen wie diesen aufbaut:
"Kinder können nicht wissen, was für sie gut ist." "Kinder können
keine Verantwortung für sich übernehmen." "Erwachsene tragen für
Kinder die Verantwortung." Man schiebt dann ein "noch" ein: Die
Kinder können es noch nicht. Erst, wenn sie gelernt haben, selbst-
verantwortlich zu sein, erst wenn sie reif genug und erwachsen sind,
werden sie selbstverantwortliche Menschen sein können.

Die traditionelle Haltung ist von einem Tabu geprägt: "Erkenne nicht
die Fähigkeit des jungen Menschen, Verantwortung für sich über-
nehmen zu können." Es ist wie mit einem Bann belegt, dies zu bemer-
ken und darüber nachzudenken. Wie entstand das pädagogische Tabu?
Wie konnte es geschehen, dass den Erwachsenen die Selbstverantwor-
tungsfähigkeit des jungen Menschen in Vergessenheit geriet? Nun, der
Umgang mit Kindern ist tief in einer Haltung verwurzelt, in der Menschen
sich berechtigt fühlen, über andere Menschen Herrschaft auszuüben.
Die Position, die Kindern die eigene Verantwortung abspricht und
stattdessen Erwachsenen die Verantwortung zuspricht kommt aus
dieser Herrschaftstradition, aus dem jahrtausendealten Patriarchat.

Doch das patriarchalische Leitbild des Herrschens ist heute für viele
vorbei. Der Prozess der Herrschaftsüberwindung drückt sich in den
großen Befreiungsbewegungen der Menschheit aus - und jetzt wird
auch der Umgang mit Kindern davon erfasst. In den beiden letzten hun-
dert Jahren gab es das Ende der Folter, die Aufhebung der Leibeigen-
schaft, die Sklavenbefreiung, die Frauenemanzipation, die Befreiung
aus absolutistischen Zwängen hin zur Demokratie, den Antirassismus,
die Entkolonialisierung und das Ende der kommunistischen Diktatur.
Und nun beginnt die Befreiung des Kindes vom Verantwortungsdenken
und dem Herrschaftsdenken der Erwachsenen. Wer in die Geschichte
blickt, erkennt, dass die Idee der Herrschaft des Menschen über den
Menschen immer mehr zurückgedrängt wird.

Wenn man andere unterwerfen will, dann ist es die sicherste Methode,
wenn diese selbst daran glauben, dass es für sie richtig ist, beherrscht
zu werden. Und genau so wird mit uns verfahren. Als Kinder bekommen
wir unser ganzes Kinderleben lang gezeigt, dass es unumgänglich ist,
wenn andere - Erwachsene - uns führen, über uns bestimmen, sich für
uns verantwortlich fühlen, uns die Verantwortung abnehmen. "Zu un-
serem eigenen Besten."

Das pädagogische Tabu wird von den Erwachsenen nicht gespürt, die
ein erzieherisches Selbstverständnis und einen pädagogischen An-
spruch haben. Sie sind erfüllt von dem "Ich weiß, was für Kinder gut
ist", sie fühlen sich für die Kinder verantwortlich und bestimmen über
sie "zu ihrem Besten". Sie verstehen deswegen zunächst nicht, wovon
die Rede ist, wenn man die Selbstverantwortung des Kindes ins Ge-
spräch bringt.

Es gibt dann entrüstete Proteste. Wie stets, wenn man an ein Tabu
rührt. "Sie wollen damit doch nur provozieren, auf Kosten der Kinder."
Diese Erwachsenen haben ihr Zusammenleben mit Kindern an diesem
Tabu ausgerichtet, und sie fühlen sich tatsächlich verantwortlich für 
Kinder. Lassen sie sich dennoch gewinnen? Gewinnen womit? Enttabui-
sierung ist ein schmerzlicher Prozess. Man muss ja etwas aufgeben, was
bisher unverrückbar zum Selbstverständnis und Weltbild gehört. Es
stürzt etwas ein - wie wird das Neue sein? Es muss eine sinnvolle und
befriedigende Alternative geben.

Fortsetzung folgt.

Sonntag, 27. November 2016

Dahergestürmt, mit Verantwortung


"Es könnte doch etwas passieren!" Wir sind besorgt, dass die Kinder
 zu Schaden kommen. Erwachsene sind für Kinder verantwortlich.

Sebastian balanciert auf der Mauer. Lina sammelt alte Flaschen. Manuel
will Eis essen. Alexander fährt Rad. Jana klettert auf den Baum. 

Die Verantwortung, die Erwachsene im Umgang mit Kindern über-
nehmen, beeinflusst das Erleben mit ihnen. "Komm von der Mauer
runter!" - "Lass die Scherben liegen!" - "Nicht noch ein Eis!" - "Fahr
langsamer!" - "Nicht so hoch!" Die Angst davor, als unverantwortlich
zu erscheinen, lässt die Erwachsenen zu Kindern so reden und mit
ihnen umgehen, als seien sie nicht in der Lage, die Risiken ihres Tuns
selbst einzuschätzen. Diese Angst lässt Erwachsene auf Kinder rea-
gieren wie auf  Noch-Nicht-Menschen. So, als seien Kinder unfertige
und zur eigenen Verantwortung unfähige Wesen.

"Stimmt doch auch!" Ich sehe das anders. All das, was Erwachsene
veranlasst, aus Verantwortung einzugreifen, zu erklären, zu mahnen,
zu verbieten - all das regeln die Kinder selbst, ohne Erwachsene, wenn
sie unter sich sind. Sie tun es sinnvoll, in Abschätzung ihrer Möglich-
keiten und der Realität ringsum. Und sie tun es täglich, viele Stunden
lang.

Sie klettern allein auf der Mauer rum. Sie fassen diese Glasscherbe an
und viele andere noch. Sie essen soviel davon und soviel hiervon. Ein
Sturz mit dem Fahrrad hindert sie nicht, die nächste Runde zu drehen.
Sie brechen sich den Arm, ohne dass die Welt untergeht.

Sie regeln ihre Dinge selbst, so wie sie es sich zutrauen und vor sich
selbst verantworten. Und sicher kommt es dabei auch immer wieder zu
Fehleinschätzungen - wie bei den Erwachsenen. Hören wir auf mit dem
Auto zu fahren, wenn wir einen Unfall verursacht haben? Natürlich
nicht, wir sagen: "Beim nächsten Mal passe ich besser auf." Und genau
das können wir auch den Kindern zugestehen. Ohne für sie die Verant-
wortung zu haben, zu übernehmen - ohne ihnen ihre Verantwortung zu
nehmen, wegzunehmen.

Die Kinder tun täglich ihre Dinge. Erwachsene lassen Kinder in  ihren
Vorstellungen aber nicht unter sich sein. Wenn wir an Kinder denken,
dann immer in Bezug zu uns. Aber sie haben auch ihr eigenes Leben,
mit einer eigenen Selbstverantwortlichkeit. Und wenn sie es dann mit
uns zu tun bekommen, soll diese Selbstverantwortlichkeit einfach nicht
mehr existieren?

Selbstverständlich ist sie dann noch da. Es ist merkwürdig, dass Er-
wachsene sie nicht wahrnehmen. Und ist es nicht seltsam,  dass wir
sofort mit unserer Verantwortung dahergestürmt kommen, wenn Kinder
um uns sind? Warum? Wie gebannt bemerken wir nicht die Wirklichkeit
der Kinder, in der ihre eigene Verantwortung einen festen Platz hat.

Was ist los mit den Erwachsenen? Weshalb verzichten wir darauf,  Kin-
der als selbstverantwortliche Menschen zu sehen? Weshalb akzeptieren
wir, dass Erwachsene verantwortlich für Kinder sind? Weshalb lassen
wir uns in der Beziehung zu Kindern von dieser Verantwortung in Be-
schlag nehmen - die ursprünglich bei den Kindern selbst ist, die wir
ihnen wegnehmen und uns aufbürden?

Fortsetzung folgt.


Freitag, 25. November 2016

Schoolwatch, IV


Fortsetzung vom 24.11.

Aber wenn Herr Meier das alles weit von sich weist
und das Gespräch in Unfrieden endet?

Nun, der Anruf bei Herrn Meier ist nur der eine Teil der
Schoolwatch-Aktion. Es soll ja auch Jana angerufen wer-
den - in jedem Fall und unabhängig davon, wie der
Lehrer reagiert. Wenn die Eltern der Initiative Jana und
ihre Eltern kennen und wissen, dass so ein Anruf nicht
zusätzlich belastend wirkt, wird dieses Gespräch geführt.
Trost und Mitgefühl sollen ausgesprochen werden, und
Janas Belastung kann sich vielleicht in einem erleichterten
Lachen lösen.

Doch meistens werden die Eltern von Schoolwatch das
Kind nicht kennen. Und so ist es auch in diesem Fall.
Niemand weiß, wie ein Telefonat von fremden Eltern
bei Jana (und ihren Eltern) ankommen wird. Dasselbe
würde für einen Besuch gelten, der anstelle eines Anrufs
auch immer in Erwägung gezogen wird. Doch neben
der Möglichkeit, Jana anzurufen oder sie zu besuchen,
gibt es ja den Schoolwatch-Brief. Es wird ein Gruß ver-
schickt, ein paar Zeilen, die deutlich machen, dass Jana
nicht allein steht und dass es Menschen gibt, die zu ihr
halten und die aussprechen, dass das, was passiert ist,
Unrecht war.

Ein Anruf oder ein Besuch kommen nur dann in Be-
tracht, wenn das Kind und seine Eltern der Schoolwatch-
Gruppe bekannt sind. Dies ist schon Einmischung in
persönliche Angelegenheiten genug. Mit einem Brief aber
von den unbekannten Eltern der Initiative stellt sich die
Frage nach der Einmischung eindringlich: Wie wird der
Brief ankommen? Was sind die Risiken und Chancen?
Wußte Jana überhaupt etwas von dem Anruf ihrer Freun-
din bei Schoolwatch? Und wenn sie es wußte, war sie
damit einverstanden? Wird Jana den Brief als Anmaßung
und Bloßstellung zurückweisen und sich obendrein noch
vorgeführt vorkommen? Oder erlebt Jana den Brief als
Überraschung, die ihr hilft? Hat sie ihn erwartet, herbei-
gewünscht, und freut sie sich über dieses Symbol von
Zuwendung und Trost?

Die Eltern der Initiative haben eine entschiedene, spezifi-
sche Grundposition: Sie sehen die Gleichwertigkeit des
Erwachsenen und des Kindes. Sie wissen darum, dass per-
sonale Begegnungen auf einer gleichwertigen Basis stets
die Chance des Gelingens und das Risiko des Scheiterns
enthalten. Sie haben keine pädagogische Absicht bei ihrer
Aktion. Sie bieten ihre Hilfe und ihren Trost an, weil sie
nicht tatenlos zusehen können, wenn vor ihren Augen Leid
geschieht. Und sie wissen darum, dass ihre Intervention
sowohl das Leid verringern als auch vergrößern kann. Sie
haben sich diesem Dilemma gestellt und sich nach reifli-
chem Überlegen dafür entschieden, auf jeden Fall einen
Versuch zu machen: Auf den gedemütigten Menschen zu-
zugehen. Hierzu fühlen sie sich um ihrer selbst willen
verpflichtet, und es entspricht ihrer Vorstellung von Mit-
menschlichkeit. Der Schoolwatch-Brief wird also von Frau
Burger geschrieben und verschickt:

    Liebe Jana,
    wir haben gehört, dass Dich Herr Meier ausgelacht
    hat. Wir finden das nicht richtig. Jeder kann mal eine
    Antwort nicht wissen., auch in Mathe. Es tut uns leid,
    was Dir da passiert ist. Ruf uns an, wenn Du willst.
    Wir stehen auf Deiner Seite.
    Herzliche Grüße!
    Reinhilde Burger von Schoolwatch

Wenn Jana den Schoolwatch-Brief ablehnt, wird ihr Leid
vergrößert. Wenn sie jedoch einschwingt, kann sich ihre
Belastung verringern. Bei diesem ersten Brief im Jahr
2000 waren sich alle Eltern der Initiative dieses Risikos
bewußt. Würde ihr Brief helfen? Nun, Jana hatte sich
gefreut, den Brief ihrer Freundin gezeigt und Frau Burg-
er am nächsten Tag angerufen.

Die erste Intervention von Schoolwatch im September
2000 war ein Erfolg - und zigtausende solcher gelunge-
nen Einmischungen sind seitdem geschehen. Die Brie-
fe, Anrufe und Besuche von Schoolwatch sind eine feste
Komponente im Schulleben geworden, von den Kin-
dern heiß herbeigewünscht und immer voller Trost und
heilender Wirkung. Die Anfangsschwierıgkeiten sind
heute längst überwunden, Schoolwatch ist renommiert
und hat sich zu einer wirksamen Kraft gegen das Schulleıd
entwickelt. Und auch immer mehr Lehrer akzeptieren
Schoolwatch - das Konzept von Schoolwatch, den Leh-
rern die Wahrheit der Kinder ohne Herabsetzung und
Anschuldigung nahezubringen, ist aufgegangen.



Donnerstag, 24. November 2016

Schoolwatch, III


Fortsetzung vom 22.11.

Und dann kommt eines Nachmittags der erste Anruf:
»Herr Meier hat die Jana aus der 6a ausgelacht, als sie
eine Antwort in Mathe nicht wußte. Jana hat den Rest
der Stunde auf ihrem Platz gesessen und geweint.«

Herr Meier wird von Frau Burger, der diensthabenden
Mutter, angerufen. Ihr Anruf hat nicht das Ziel, ihm
Vorhaltungen zu machen oder ihn bloßzustellen. Der
Anruf soll möglich machen, dass der Lehrer das Vorgefal-
lene mit den Augen des Kindes gezeigt bekommt, dass er
hört, wie sein Verhalten bei Jana angekommen ist und
gewirkt hat, und dass sein Auslachen aus der Sicht des
Kindes und der Eltern von Schoolwatch eine unakzepta-
ble Grenzüberschreitung war.

Es wird kein Vorwurf erhoben und es erfolgt keine Schuld-
zuweisung. Hierüber wurde bei den konzeptionellen Be-
ratungen lange diskutiert und klar Position bezogen: Auch
die Würde eines Lehrers wird geachtet, was immer er tut
und was immer gegen sein Verhalten vorgebracht werden
kann. Ohne einen Vorwurf zu erheben wird dieser Lehrer
aber damit konfrontiert, der Realität - wie sie das Kind
erlebt hat - ungeschminkt ins Gesicht zu sehen, und die
erlittene Demütigung wird Demütigung und Unrecht ge-
nannt.

Frau Burger bittet nicht darum, dass Herr Meier sich ent-
schuldigt - so etwas zu erwägen ist ganz und gar seine
Sache. Sie überläßt es ihm, ob er am nächsten Tag über-
haupt etwas zu Jana sagen will, und was das sein könnte.
Ihre einzige Aufgabe im Gespräch mit dem Lehrer ist es,
ihn das Vorgefallene mit den Augen des Kindes sehen zu
lassen. Und da Herr Meier sich nicht beschimpft und nicht
unter Druck gesetzt fühlt, kann er sich für die höflichen,
aber sehr wohl eindringlichen Worte der Mutter öffnen
und sein Verhalten mit Janas Augen sehen.

Wenn er erklärt, dass er das morgen in Ordnung bringt,
und am nächsten Tag auf das Kind zugeht, etwas Freund-
liches sagt und hinzufügt, dass es ihm leid tut, dann steht
der Heilung der seelischen Verletzung von Jana nichts
mehr im Wege. Aber wenn Herr Meier das alles weit von
sich weist und das Gespräch in Unfrieden endet?

Fortsetzung folgt.



Dienstag, 22. November 2016

Schoolwatch, II


Fortsetzung vom 20.11.

In ihrem Konzept stellen sich die Eltern als eine Gruppe
von Menschen vor, die das Leid der Schulkinder auffan-
gen wollen, das durch persönliche Herabsetzung ent-
steht. Sie setzen sich außerdem zum Ziel, durch Präsenz,
zunehmendes Gewicht und Öffentlichkeitsarbeit einen
Bewußtseinswandel anzustoßen, so dass Demütigungen
im Schulalltag weniger werden. Sie verstehen sich als eine
parteiergreifende Instanz, die über die Unantastbarkeit
der Würde der Schulkinder wacht. Die Eltern bieten sich
in konkreten Situationen - wenn ein Lehrer ein Kind
herabsetzt - als Anlaufstelle an. Sie wollen dann zum
einen mit dem betreffenden Lehrer ins Gespräch kom-
men und ihm das Geschehene aus der Sicht des Kindes
zeigen. Zum anderen wollen sie dem gedemütigten Kind
durch einen Anruf, Besuch oder Brief - den "Schoolwatch-
Brief" - beistehen, Trost zusprechen und das Ich des
Kindes stützen.

Sie wissen, daß sie nicht im Konsens mit der Schule und
der Lehrerschaft sein werden, sondern dass man sie als
Ärgernis, ja als Bedrohung auffasst. Doch sie sind von der
Wichtigkeit ihres Vorhabens überzeugt und lassen sich
nicht aufhalten. Sie wollen von außen in die Schule wir-
ken, denn nur darin sehen sie die Effektivität ihres Enga-
gements gewährleistet, ihre Unabhängigkeit gewahrt, und
nur so erwarten sie eine Akzeptanz ihrer Tätigkeit durch
die Kinder. Und wenn sie auch von außen kommen, so
fühlen sie sich doch sehr wohl als Betroffene und der
Schulgemeinde zugehörig. Sie sind dabei, eine anders
orientierte Aufgabe für das Wohl der Kinder zu überneh-
men, als dies jede Schultradition bislang vorsah.

Das alles ist für diese wie für jede andere Schule völlig
neu, die Lehrer wehren sich heftig gegen eine Kontrolle
durch Eltern. Immer wieder werden die Eltern aufgefordert,
die schulischen Gremien einzuschalten, wenn sie Wünsche
hätten. Und auch die Drohung der Schulverwaltung, man
werde die Gerichte einschalten, um die Störung des
Schulfriedens zu unterbinden, schreckt sie nicht. Sie wol-
len etwas tun, sind entschlossen, risikobereit, lassen sich
rechlich beraten und wollen es darauf ankomrnen lassen.
Und sie erfahren auch Unterstützung von anderen El-
tern, auch von anderen Schulen und Städten und von
Fachleuten.

Ein halbes Jahr nach dem ersten Treffen steht ihre Initia-
tive. "Schoolwatch Einstein-Gymnasium Neustadt" ist
ein eingetragener Verein, mit Satzung, Mitgliedern und
Vorstand. Sie haben ein kleines Budget, und die Gemein-
nützigkeit ist beantragt. Die Eltern haben sich in einen
Dienstplan eingeteilt, für den Rest des Jahres ist bereits
klar, wer an welchem Tag für die Kinder als Ansprech-
und Anrufpartner da ist. Im neuen Schuljahr nach den
Sommerferien sind sie startbereit.

Und dann kommt eines Nachmittags der erste Anruf:
»Herr Meier hat die Jana aus der 6a ausgelacht, als sie
eine Antwort in Mathe nicht wußte. Jana hat den Rest
der Stunde auf ihrem Platz gesessen und geweint.«

Fortsetzung folgt.

Sonntag, 20. November 2016

Schoolwatch, I


Es gibt an vielen Schulen Elterninitiativen, die "School-
watch" heißen. Die Eltern dieser Initiativen haben sich
zusammengefunden, um gemeinsam etwas gegen das
Schulleid ihrer Kinder und die Schultraumatisierung zu
tun.

Die Schoolwatch-Idee hat sich herumgesprochen, die
Medien haben darüber berichtet, in Fachzeitschriften
wurden Artikel geschrieben, an den Hochschulen gibt
es hierüber Seminare, kurz: aus einer Idee ist eine Bewe-
gung geworden. Es gibt inzwischen Schoolwatch-Lan-
desverbände und den Schoolwatch-Bundesverband und
auch im Ausland existieren seit einiger Zeit Schoolwatch-
Initiativen. Alle Lehrer kennen Schoolwatch, sie werden
bereits in ihrer Ausbildung damit befasst, und die mei-
sten Eltern wissen, dass es so etwas wie Schoolwatch
gibt, und viele engagieren sich darin. Und selbstver-
ständlich weiß auch jedes Schulkind von Schoolwatch.

Der Einfluß, der von einer Schoolwatch-Initiative vor
Ort auf das Geschehen einer Schule ausgeht, ist unter-
schiedlich groß und hängt von den jeweiligen Gegeben-
heiten ab. Oft wird die Arbeit von Schoolwatch von den
Lehrern eines Kollegiums abgelehnt, aber es gibt auch
immer wieder Zustimmung und Kooperation. Nichts ist
mehr so, wie es einmal war - als es Schoolwatch noch
nicht gab. Allen Lehrern ist bewusst, dass sie durch diese
Elterninitiativen unter Beobachtung stehen, ob sie es
wollen oder nicht. Und auch die Kinder wissen darum,
dass Ungerechtigkeiten und Demütigungen im Klassen-
zimmer nicht mehr als Selbstverständlichkeit des Schul-
alltags hingenommen werden müssen.

Angefangen hatte es vor 16 Jahren am 29. Januar 2000 - als
eine Mutter in einer kleinen Stadt in Deutschland eine
besonders drastische Herabsetzung ihres Kindes durch ei-
nen Lehrer nicht auf sich beruhen lassen will. Nachdem ein
Gespräch mit dem Lehrer und dem Schulleiter nichts be-
wirkt, bringen die Eltern den Vorfall im Freundeskreis zur
Sprache, und man ist sich einig, dass etwas getan werden
muss. Die Freunde treffen sich wiederholt, sie diskutieren,
machen Vorschläge und verwerfen sie wieder, aber sie sind
entschlossen, etwas in Gang zu setzen. Sie entwerfen ein
Konzept und gründen eine Initiative gegen die Traumati-
sierung durch schulische Demütigungen.

Sie überlegen lange, welcher Name für ihre Initiative
passt, er soll prägnant und aussagefahig sein. Diskutiert
werden "Eltern vor Or" und "Aktion Schule ohne Angst"
und "Verein zur Förderung von Kinderfreundlichkeit an
der Schule" und andere Namen. Letztlich entscheiden sie
sich für einen Begriff, der von den Kindern, die sie um
Rat gefragt haben, bevorzugt wird - denn sie wollen vor
allem die Akzeptanz ihrer Initiative durch die Kinder. Sie
nennen sich also "Schoolwatch", in durchaus gewollter
Anlehnung an das renommierte Worldwatch-Institut und
an Human Rights Watch. Und sie tragen ihre Idee in die
Elternabende und werben urn Mitstreiter.

Die Eltern erleben vielfaltige Widerstände von allen Seiten
(die Schultraumatisierung sitzt bei den Menschen tief und
fest). Sie bekommen zu hören, dass sie den Schulfrieden
stören, dass ihre Arbeit destruktiv sei, dass ein "gläsernes
Klassenzimmer" die Persönlichkeitsrechte des Lehrers miss-
achte. Viele Eltern stimmen in den Chor der Kritik ein,
befürchten, dass durch diese Ideen das effektive Arbeiten
in der Schule behindert wird und sehen den schulischen
Erfolg ihrer Kinder gefährdet. Die Eltern der Initiative
werden von vielen geschnitten und angefeindet. Aber sie
lassen sich nicht beirren. Sie machen sich weiter bekannt
und verteilen ihr inzwischen ausformuliertes Schoolwatch-
Konzept.

Fortsetzung folgt

Freitag, 18. November 2016

Ylvis Baum


Der Kletterbaum ist eine alte Eiche mit wunderschönen Kletterästen. Für große und für kleine Kinder. Ylvi ist 4, wir kommen zum Kletterbaum. Der Stamm ist für das Kind zu mächtig, die Äste sind unerreichbar. „Ich komm nicht dran.“ Ich bekomme das mit, bin aber im Gespräch mit ihrer Mutter Anna Maria. Auch sie bekommt das mit, ist aber im Gespräch mit mir. Ylvis Tonlage ist deutlich. Sie will nicht den Baum, denke ich, sie will Kletter-Event. Meine Wahrnehmung. In Resonanz mit ihren Tönen aus dem Anspruchsland.

Wir Erwachsene sehen uns kurz an und setzen unser Gespräch fort. Ylvi hängt irgendwie am Stamm fest, kein Ast erreichbar, zufrieden sieht sie nicht aus. Sollen wir uns nicht doch kümmern? Oder sollen wir sie ihre Erfahrungen selbst machen lassen? Also uns raushalten, damit sie ihre eigenen Möglichkeiten, Wege, Umwege, Unwege, Dochwege kennenlernt? Damit sie lernt, überhaupt? Mir sind derartige Überlegungen zum Besten der Kinder bekannt, nur zu gut bekannt. Die Situation ist für so eine pädagogische entwicklungsfördernde Aktion geradezu klassisch. Raushalten zum Besten des Kindes. Aber ich bin da ganz woanders.

Ich nehme sie und mich jenseits ihrer Töne und jenseits dieser Förderüberlegungen wahr. Ich bin hier draußen am Baum, Anna Maria ist hier draußen am Baum, Ylvi ist hier draußen am Baum. Jeder tut seine Dinge. Die Großen spielen das Leben: diesmal reden, das Kind spielt das Leben: diesmal kletterbaumen. Lassen wir Ylvi im Stich? Geben wir Ylvi die Chance? Sind wir gemein? Sind wir hilfreich?

„Was will ich wirklich?“ führt in amicatives Land. Und ich merke, dass es mir jetzt gerade nicht recht ist, aus dem Gespräch mit ihrer Mutter auszusteigen. Einmal zum Ast heben reicht ja nicht, das wird noch ein Ast, viele Äste und das Gespräch ist vorbei. Will ich nicht. Ich will noch nicht einmal etwas sagen, ich will eigentlich nicht einmal dahindenken. Jetzt gerade nicht. Nachher kann das anders sein, aber jetzt nicht. Ich schaffe es, bei mir zu bleiben und nach dem Aufnehmen von Ylvis Botschaft und dem kurzen Blicktausch mit Anna Maria weiter in meine Gedankenwelt und unsere Unterhaltungswelt zu wandern. Ich bin stark und standhaft, dieser mächtigen Kindesforderung ein freundliches wortloses unpädagogisches authentisches Nein zu schenken.

Da Ylvis Mutter auch in der amicativen Welt lebt und gerade wie ich unterwegs ist, schwingt unser beider Nein zu den Kind. Ohne jedes Wort. Sicher weiß Ylvi, dass wir sie gehört haben. Sie wird sich ihre eigenen Gedanken dazu machen. Macht sie auch: sie fängt an, sich mit dem Unmöglichen zu beschäftigen. Die Rinde läßt sich klammern, der erste Ast kommt ins Greifbare. Schon ist sie hoch, Ast sieben. Da sitzt sie und schaut umher. Sie lacht, und der Baum sieht glücklich aus.

Als Ylvi beim Runterklettern festhängt, kommt ein Angstton. Beiläufig hebt Anna Maria sie nach unten.Ylvi geht zur Bank, auf der wir sitzen, und kuschelt sich an ihre Mutter. Sie schaut zum Zitronenfalter und fliegt mit ihm in seine, ihre, unsere Welt.

Donnerstag, 17. November 2016

Wolf und Gott


Die Tradition lehrt, dass in der Wiege ein kleiner Wolf liegt. "Pass auf, dass aus ihm nicht ein großer böser Wolf wird! Menschen sind gefährlich, das Böse ist in ihnen. Sie müssen durch Erziehung zu sozialen Wesen gemacht werden!" Hinter dieser Sicht steht die überkommene patriarchalische Auffassung, dass die Welt nicht als Einheit existiert, sondern in vielfältige Gegensätze aufgeteilt ist. So auch in das Gute auf der einen und in das Böse auf der anderen Seite. Und die erzieherische Grundposition ist dabei auf das Böse - im Menschen - fixiert, das es - durch Erziehung - auszutreiben gilt.

Doch man kann das auch gänzlich anders sehen. Von der postmodernen Gleichwertigkeit aus, jenseits eines Gegensatzes von Gut und Böse. Menschen sind konstruktiv. Von Geburt an, Ebenbilder Gottes. Beauftragt, sich um das Kind zu kümmern, das ein jeder selbst ist - als Teil des Ganzen. Auch als Teil des sozialen Ganzen. Und wer sich um sich selbst kümmert, kümmert sich auch um den anderen, denn er ist ein Teil von ihm. 

Dienstag, 15. November 2016

Mir zur Freude


Amication errichtet keine neue Norm, nach der man leben sollte.
Es wird vielmehr eine Einladung ausgesprochen und eine Freude
angeboten: Es gibt die Möglichkeit zur Selbstliebe. "Ich liebe mich
so wie ich bin" ist eine Perspektive und enthält keinerlei Verpflich-
tung. Nichts spricht wirklich dagegen. Ein jeder kann sich lieben,
so wie er ist. Man kann! Und Amication ist dann noch ein bisschen
mehr, ohne jegliche Pflicht, ein "Mach doch - Komm mit - Du bist
willkommen".

Selbstliebe wächst ohne Selbsterziehung, mit beiläufiger Freundlich-
keit sich selbst gegenüber. Und auch die pädagogischen Anteile des
Ich müssen nicht verändert werden, sondern sind als Teil der eigenen
Biografie geachtet. Alles hat seinen Platz in einem jedem Menschen
- Vergangenes und Widersprüche ebenso wie Aufbruch und neuer
Weg.

Selbstliebe ist ein buntes Mosaik mit vielen Elementen. Selbstliebe
beginnt mit dem Vertrauen zu sich, flutet in alle Facetten des Selbst
und endet im Unendlichen.

Ich traue mir.
Ich vertraue mir.
Ich lasse mich gewähren.
Ich stehe mir zur Seite.

Ich setze auf mich.
Ich bin mit mir im Einklang.
Ich trage Frieden in mir.
Ich bin wertvoll.

Ich gehöre mir selbst.
Ich bin mein eigener Souverän.
Ich gehe durch dieses mein Leben.
Ich lebe mir zur Freude.

Ich bin nur für mich verantwortlich.
Ich bin nicht für andere verantwortlich.
Ich halte nach anderen Ausschau.
Ich bin für andere da.

Ich mache alles und nichts.
Ich handle weder falsch noch richtig.
Ich bin Teil des unendlichen Sinns.
Ich bin und ich bin und ich bin.

Ich erfahre die Welt nur auf meine Weise.
Ich wache morgen früh wieder auf.
Ich vertraue mich meinem Tod an.
Ich bin der Mittelpunkt des Universums.

Ich liebe mich so wie ich bin.

Sonntag, 13. November 2016

Wie viel Montessori?

Heute poste ich die Fortsetzung des Interviews über meine Position zu
Maria Montessori.


Frage
Maria Montessori schreibt 1950 in ihrem Buch »Kinder sind anders«,
dtv 2001, S. 108 f.: »So kommt es, dass das Bewusstsein des Kindes
von Liebe erfüllt ist, ja dass das Kind erst durch die Liebe zur Selbst-
verwirklichung findet« Und: ››Die kindliche Liebe kommt aus der
Intelligenz, und sie baut auf, indem sie liebevoll sieht und beobachtet
... Im Kinde ist die Liebe noch frei von Wıdersprüchen.« - Herr Dr.
von Schoenebeck, stimmen Sie zu?  `

Antwort 
Ich bitte Sie, wer weiß denn schon wirklich, was Liebe ist? Das gilt
doch erst recht für die Liebe, die Kinder empfinden! Da kann jeder
spekulieren und seiner Intuition freien Lauf lassen. Und das ist auch
gut so. Und wenn Maria Montessori das so sieht... Ich selbst habe
mich so etwas bisher nicht gefragt, es geht mich nichts an, wie in einem
anderen Menschen die Liebe lebt. Mich stört bei dieser Passage das,
was mich generell bei Maria Montessori stört: Dass sie so fulminant
dort herumfuhrwerkt, wo ich in Achtung und vielleicht auch Demut
eine Grenze erkenne, die ich nicht überschreite. Dort nämlich, wo
nach meiner Auffassung das souveräne Land des Kindes beginnt. Was
muss sie in diesem intimen existentiellen Bereich des Kindes die
Verkünderin der Wahrheit spielen? Ich finde so etwas eigentlich
übergriffig.

Frage
Herr Dr. von Schoenebeck, sie haben sich bisher kritisch zu Maria
Montessori und ihrer Pädagogik geäußert. Können Sie sich überhaupt
vorstellen, dass es für Montessori-Pädagogen gewinnbringend sein
könnte, sich mit der amicativen Theorie und Praxis zu beschäftigen?

Antwort
Es gibt seit über 35 Jahren eine amicative Praxis. Ich will sagen: die
amicative Theorie hat längst die dazugehörige und auch real funktio-
nierende Praxis. Jeder, auch ein Montessori-Pädagoge, kann diese
Theorie und Praxis kennenlernen, und ist eingeladen. Amication ist
in der Postmoderne verwurzelt, mithin nicht wertvoller als Pädagogik.
Amication ist ein Angebot, keine Besserwisserei. Meine kritischen
Aussagen lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, aber mein
Tenor ist nicht der einer Brüskierung. Auch wenn ich oft so empfunden
werde. Wenn die amicative Position vorgetragen wird, kann man sie
selbstverständlich abtun. Aber man kann Amication auch als einen   
Impuls nutzen, um die eigene Position zu überdenken und zu
begründen. In Gesprächen mit pädagogisch eingestellten Menschen
sehe ich mich immer wieder auch in harten aber achtungsvollen
Auseinandersetzungen, und ich wüsste eigentlich nicht, warum auf
meine Ausführungen nicht ebenso geantwortet werden könnte. Und
Antworten ist der Beginn einer fruchtbaren Begegnung.

Von dem Gewinn, der in einer achtungsvollen Auseinandersetzung
liegt, einmal abgesehen, enthält der amicative Ansatz aus meiner
Sicht für jemanden, der nach den Prinzipien von Maria Montessori
arbeitet, ein befreiendes Element: Er kann Maria Montessori und
all denen, die in der Montessori-Pädagogik Autorität haben, fragend
entgegentreten. Er kann hinterfragen und alles an der eigenen
subjektiv wahren Ethik messen. Amication sagt jedem Montessori-
Pädagogen, dass er selbst es ist, der darüber entscheidet, wie viel
Montessori er in sein Denken und Handeln einfließen lassen will.
 
Ein Beispiel. Meiner Meinung nach wird jemand, der in einem
Montessori-Kindergarten oder einer Montessori-Schule arbeitet,
ein Authentizitätsproblem bekommen, wenn er diese Forderungen
Maria Montessoris ernst nimmt: »Wir bestehen mit Nachdruck
darauf, dass der Lehrer sich innerlich vorbereiten muss: er muss
mit Beharrlichkeit und Methode sich selber studieren, damit es ihm
gelingt, seine hartnäckigsten Mängel zu beseitigen, eben die, die
seiner Beziehung zum Kinde hinderlich sind.« (Kinder sind anders,
dtv 2001, S.153). Das amicative ››Ich liebe mich so wie ich bin«
ist da von anderer Qualität, und mit den ››Mängeln« des Charakters
wird anders verfahren. Das pädagogische »Mängel beseitigen«
wird als nicht weiterführend erkannt; denn Mängel sind Teile des
Selbst, denen Achtung zukommt und mit denen konstruktiv umzugehen
man lernen kann.

Wie auch immer: Amication bietet jedem, der erzieherisch tätig ist,
auch Montessori-Pädagogen, einen unkomplizierten Weg zu sich
selbst an. Im Mittelpunkt steht der Einzelne, der Handelnde, der
Pädagoge - Sie -, nicht das Kind, nicht die Sache oder sonst was.
Von dieser Ich-Position aus wird dann Ausschau gehalten nach der
Welt und den Kindern, auch nach Maria Montessori und der aktuellen
Montessori-Pädagogik. Und dann habe ich gelegentlich Lust, Maria
zu fragen, was sie für Einfälle und Vorschläge für das Zusammensein
mit Kindern hat.



Samstag, 12. November 2016

Maria Montessoris Mission


Vor einiger Zeit wurde ich einem Interview gefragt, wie ich zu Maria
Montessori stehe. In diesem und dem nächsten Post stelle ich das
Interview vor. Und ich freue mich über Rückmeldungen.

Frage
»Hilf mir, es selbst zu tun« - Herr Dr. von Schoenebeck, Sie haben als
Lehrer in der Schule gearbeitet. War dieses Grundprinzip der
Montessori-Pädagogik für Sie wichtig? 

Antwort
Nur dann, wenn die Kinder mich so etwas konkret gefragt haben. Die
Montessori-Pädagogik ist eine Pädagogik, und von daher für mich
Fremdland. Denn die Grundposition jeglicher Erziehung und Pädagogik
- die Homo-educandus-Hypothese und die daraus resultierende Verant-
wortung des Erwachsenen für das Kind - teile ich nicht. Für mich sind
Kinder vollwertige Menschen von Anfang an, sie werden nicht erst
vollwertige Menschen im Laufe der Kindheit. Sie sind von Geburt an
für sich selbst verantwortlich, dies erkenne und achte ich, und
deswegen bin ich auch nicht für sie verantwortlich. Wiewohl Maria
Montessori als pädagogischer Mensch sich sehr wohl für Kinder
verantwortlich fühlt. Ich kann mir aus meiner amicativen Position alle
Erkenntnisse, Konzepte und Vorschläge der pädagogischen Welt
ansehen und entscheide dann, was ich davon in meine Kommunikation
mit den Kindem übernehmen oder abgewandelt übernehmen will.
»Hilf mir, es selbst zu tun« finde ich viel zu theatralisch, so etwas ist
doch selbstverständlich. Warum macht Maria Montessori so eine
Banalität zum Prinzip? Das ist mir unklar. Wenn die Kinder meine Hilfe
zur Selbsthilfe wollen, dann bin ich für sie da.

Frage
Maria Montessori sagt, dass die Schule eine Lebensstätte ist und
dass der Lehrer eine Mission, ein schweres Amt hat, der Diener des
Kindes zu werden. Haben Sie Ihre Lehrerrolle auch so verstanden?

Antwort
Die Schule ist für die Kinder keine freiwillige Sache. Die Kinder werden
nicht gefragt, ob sie überhaupt dorthin wollen; es besteht gesetzlicher
Schulzwang. Wie kann etwas, das einem oktroyiert wird, eine ››Lebens-
stätte« sein? Die Schule ist für die Kinder ein Teilzeitgefängnis, in dem
die Erwachsenen sich herausnehmen, sie zum wahren Menschen zu
formen. Eine Stätte, in der man sich wohlfült und gern auflıält, ist so
etwa nicht. Pädagogische Menschen wie Maria Montessori themati-
sieren diesen Zusammenhang nicht, da sie von der Notwendigkeit der
Erziehung für die Menschwerdung des Kindes überzeugt sind. Und von
diesem Denken her kann man es den Kindern dann schön einrichten,
eben eine ››Lebensstätte« schaffen wollen. Die grundsätzliche In-
humanität und die kulturimperialistische Position, die hierin verborgen
sind, lassen sich erst mit amicativem Denken erkennen.

Ich bin niemandes Diener, ich gehöre mir selbst. Von dieser meiner
souveränen Position aus gehe ich zu anderen Menschen, auch zu
Kindern. Dann werden wir sehen, was wir miteinander tun können.
Wır begegnen uns authentisch: Hubertus als Person mit seinen
Facetten, die Kinder als jeweilige Person mit ihren Facetten.
››Dienen« ist da unpassend. Wenn ich Kindern helfe, sie anleite,
etwas erkläre, dann tue ich das ohne die Attitüde des Dienens.
Außerdem: Ein Erwachsener ist niemals wirklich der Diener
eines Kindes (es sei denn bei Königs). So etwas ist doch letztlich
nur methodisch, ein Trick oder eine List, um die Kinder dahin zu
bekommen, wohin man sie haben will. Und um es sich schönzureden,
dass man doch so großherzig ist, ihnen zu dienen. Dieses »Diener
des Kindes« ist ein Teil des Montessori-Konzepts, mit dem
verschleiert wird, was in der Schule tatsächlich geschieht: die
kulturelle Unterwerfung der nachwachsenden Generation unter die
Standards der herrschenden Erwachsenen.

Frage
Maria Montessori sagt: ›››Dem Leben helfen« ist das erste funda-
mentale Prinzip.«- Wie verstehen Sie als ehemaliger Lehrer diese
Aussage?

Antwort
Jede Beziehung kann etwas mit Helfen zu tun haben, muss es aber
nicht. Wenn ich mit Kindern zusammen bin - auch als Lehrer -,
findet Kommunikation statt. Ob unsere Beziehung dann hilfreich
sein wird für die Kinder und/oder für mich, wird sich zeigen. Ich
setze mich in meiner Beziehung mit Kindem nicht unter den Druck,
hilfreich sein zu sollen. Wenn Hilfreiches geschieht, ist dies ein
Geschenk des Lebens, das sich zwischen uns ereignet, und darüber
freue ich mich und bin dankbar. Aber ich instrumentalisiere diese
Großartigkeit »Helfen« nicht zu einem Prinzip. Es hört sich gut an,
Helfen zu einem Prinzip zu machen, aber ich sehe darin eine subtile
Destruktivtät. Denn Helfen als Prinzip missachtet das Prinzip der
Realität, das Prinzip des »Es soll« wird an die Stelle des Prinzips
des »Es ist« gesetzt. Ich bin real-existentiell präsent, Maria
Montessori ist moralisch-missionarisch präsent. Was angemessener
ist, lässt sich nicht objektiv entscheiden, ich sehe das so, Maria
Montessori anders. lm übrigen, es tut mirleid, ist diese Aussage
schon wieder für meine Ohren nicht akzeptabel. Ich würde mir nie
einfallen lassen, einer solchen Wırkmacht wie dem Leben helfen
zu wollen - ganz andersherum wird ein Schuh draus: ich freue mich,
wenn das Leben mir hilft!


Donnerstag, 10. November 2016

Verändern durch Vertrauen


Ich muß mich nicht verändern, ich soll mich nicht verändern, ich will mich nicht verändern: Ich verändere mich. Zu mir selbst gelange ich nicht mit Wollen, sondern mit Vertrauen.

Wenn ich nicht Energie für das Veränderenwollen aufbringe, wenn ich alle Kraft in mir sich zentrieren lasse. Wenn ich immer mehr ich bin statt mich bemühe, es zu werden: Dann kann die so gesammelte Kraft in die Winkel und Nischen meines Ichs strömen, wo sie tatsächlich gebraucht wird. Ich lasse die Veränderungsenergie in mir sich frei entfalten, ohne sie zu dirigieren.

Die selbstorganisierte Veränderungsenergie lässt sich gut mit den weißen Blutkörperchen vergleichen, die auch selbst und aus ihrer Weisheit heraus das tun, was dem Organismus dient. Wenn ich meiner Kraft vertraue, wenn ich meinem Organismus vertraue, wenn ich mir vertraue - so wird mich dies dahin entwicklen, wo ich jeweils wirklich bin. Es ist nicht nötig, dies zu wollen, denn solches Wollen kostet nur Energie und blockiert den Vorgang der Selbstorganisation. Und es ist nicht hilfreich, dies zu sollen.

*****

Gestern wurde ich gefragt, wie man sich zur amictiven Sichtweise hin verändern kann. Dann sage ich, dass man sich nicht zum Nichterziehen erziehen kann. Dass es eher so ist, dass das Hineinwachsen in die amicative Welt einem geschenkt wird. "Du kannst Kontakt halten zu dieser Idee, ab und zu etwas lesen, oder auch zu einem Seminar kommen. Oder Dich einfach auch in Ruhe lassen mit dem Hineinwachsen. Wenn Dir das alles etwas sagt, wirkt diese Ideenwelt mit einer eigenen Dynamik. Es gibt kein Programm und keine Methode für das Hineinwandern in die amicative Welt. Wer den Wald für sich entdeckt hat und ab und zu dort spazieren geht, der entwickelt seine eigene Wahrnehmung von diesem Lebensbereich. So ist das auch mit der amicativen Welt."

Dienstag, 8. November 2016

Froschkönigs Zauber


Was mich an der Froschkönig-Geschichte so beeindruckt, ist der Mut
der Prinzessin, gegen alle Moral zu verstoßen, wenn es um eigene
existentielle Dinge geht. Normen der anderen gibt es wie Sand am Meer.
Uns Kindern wurden sie weiß Gott wie verbindlich gemacht. Du sollst,
du darfst nicht, du musst doch. Der Königsvater mahnt, nicht böse, sanft
- und doch so zersetzend. 

Die Prinzessin lebt in ihrer Welt mit ihren Werten - so, wie dies auch der
souveräne Frosch tut, ein König, von gleicher Art wie sie. Das Eingehen
auf seine Bedingung war erpresst. Vor der Moral des Königskindes hat
er kein Recht, Gefährtenschaft und mehr zu fordern. Vor aller Welt aber
hat er es, vor aller Erwachsenenwelt. Diese Erziehungsbotschaft sitzt tief.

Und erst in der allergrößten Not - als der Widerling tatsächlich ansetzt,
ihr zu Leibe zu rücken, besinnt sie sich auf ihre Kraft, auf ihre Welt und
ihre Heiligkeiten: Zur Hölle mit all den fremden Monstern, die sich in
mir breitgemacht haben, die mich mahnen und die Normen in mir
errichtet haben, die nicht die meinen sind! Was den meisten von uns
großgewordenen Kindern nicht mehr gelingt, nämlich das eigene Beste
zu erkennen und für seine Realisierung einzutreten - mithin Verant-
wortung für uns zu übernehmen, so, wie es uns tatsächlich entspricht
(und nicht fremden Normen in uns): dies schafft diese Botin der Selbst-
verantwortung.

Sie ergreift Partei für sich, sie bekennt sich zu sich, sie wehrt das
Fremde mit aller Kraft ab: Und siehe da, die Welt geht nicht unter,
niemand fällt tot um, das Chaos bricht nicht aus: Das Gegenüber läßt
sich nun ein Wesen gleicher Art sein. Trag Verantwortung für Dich
selbst, nicht für mich: dann wirst Du erkennen, wer Du bist und wer
ich bin, und dass unsere Konstruktivität existiert bis ans Ende der Zeit.

Dass die beiden sich lieben, so grundlegend wesensverwandt, war zu
Beginn ihrer Affäre schon offenkundig. Dass sie dies auch leben
können, weil niemand auf sich verzichtet - dies ist uns verantwortungs-
geschädigten großen Kindern fremd. Und doch ist es wahr, und jeder
kann diese uralte Weisheit zurückgewinnen.

*****

angesichts unserer selbst
gewinnen wir alles
und lassen uns
von allem gewinnen
und leben alles
und lassen alles leben



Montag, 7. November 2016

Büffels Würde

"Wenn ich schon tun muss, was meine Eltern wollen..."

Gleiche Augenhöhe geht über das Wie der Beziehung. Es geht um die seelische Botschaft. Das Durchsetzen auf der Handlungsebene wird deswegen nicht abgetan. Gelingt das sanft oder hart, freundlich oder unfreundlich, flexibel oder starr? Es geht ausdrücklich nicht um antiautoritäres Zurückweichen. Was muss, das muss. Das kann sanft oder hart passieren. Darüber hinaus kommt dann die seelische Frage nach der gleichen Augenhöhe.

Wenn ich mich schon durchsetze: Ich muss mich dabei nicht noch innerlich über das Kind stellen. "Du setzt Dich durch", fühlt dann das Kind, "aber Du stellst Dich nicht über mich." Zum Verstehen hilft das Bild vom Bruder Büffel, den der Indianer erlegt. "Du tötest mich", sagt der Büffel, "aber Du stellst Dich nicht über mich. Ein Weißer schießt mich ab und meint, er sei wertoller als ich." Wie sind Eltern im Kinderzimmer unterwegs, wenn sie sich durchsetzen? Man kann sich den Indianer zum Vorbild nehmen.

Aber macht das für das Kind überhaupt einen Unterschied? Wenn es am Ende doch tun muß, was die Eltern wollen? Um im Bild zu bleiben: "Wenn ich schon getötet werden muß", sagt der Büffel, "dann lieber von einem Menschen, der meine Würde sieht und sich innerlich nicht über mich stellt. Ich möchte nicht zu meiner Niederlage noch obendrein erleben, dass ich nicht so wertoll sein soll wie der, der mich besiegt. Ich wünsche mir, dass der Jäger mich als gleichwertig erkennt, mich auf gleicher Augenhöhe sieht. Denn das Universum hat uns alle mit einer Würdekrone ausgestattet." Kinder sind genauso unterwegs: "Wenn ich schon tun muss, was meine Eltern wollen ..."

Sonntag, 6. November 2016

Magie der Gleichwertigkeit

Ich will mit den Kindern eine Radtour machen, mit Xenia (7), Felix (9) und Lisa (7). Xenia und Felix wollen mit, doch Lisa will lieber zu Hause bleiben. Aber nicht allein. "Was willst Du? Mitkommen oder dableiben?" Mir ist nicht wohl dabei. Wer ohne Lust eine Radtour macht, wird es nicht lange aushalten, und die anderen sind dann genervt. Das ist jedenfalls meine Befürchtung. Lisa kommt mit. Aber sie hängt nach und freut sich weder über die Kühe noch über die Fohlen. Sie zockelt hinterher. Die Fröhlichkeit von uns drei anderen nimmt nach und nach ab: Ihretwegen. Es ist nicht so, dass wir sie verurteilen. Nur: Wie sollen wir fröhlich sein, wenn einer betrübt ist? Beim nächsten Berg ist es dann soweit: Lisa kommt nicht. Wir halten an und warten. Dann kommt sie.

Jetzt führt kein Weg mehr daran vorbei, ich will Klarheit haben. Noch mal: Dass sie eben keine Lust auf die Radtour hat. Aber wir. Dass sie lieber zu Hause spielen will, aber nicht allein. Aber wir wollen ihretwegen nicht auf die Tour verzichten. Auf mein "Was willst Du denn jetzt? Nach Hause, und zwar allein, oder mitfahren?" kommt nichts genaues. Klar ist: Sie will nach Hause, und zwar mit uns. Aber wir wollen fahren, mit ihr oder ohne sie.

Was nun? Weiterfahren mit Lisa? Noch zwei Stunden das aushalten? Abbrechen und nach Hause fahren? Xenia und Felix sind gelassen: "Dann fahren wir eben zurück." Sehr zufrieden sehen sie dabei aber nicht aus. Also: Was will ich - was will ich wirklich? Mit den Kindern schöne Zeit verbringen. Geht das so? Nein. Denn eins der Kinder will es so nicht. Meine Radtour ist also gemessen an dem, was ich will (mit den Kindern schöne Zeit verbringen) unrealistisch. Bamm. Da liegt er, der Baumstamm über dem Weg. Ich komme nicht rüber, weiß keinen Weg.

Also? Also keine Radtour. Schwer, aber es kommt, ich halte mich an und erkenne die Realität: So geht es nicht. Ärgerlich, aber wahr. Und deswegen schon etwas weniger ärgerlich.

"Ja, wenn Du absolut nicht willst ..." Ich sage das wirklich ohne Druck, doch wollen zu sollen. Aber ich sage auch und beschönige da nichts, dass ich lieber weiterfahren würde. Nur, dass es uns ja auch keinen Spaß macht, wenn einer dabei ist, der keine Lust hat. Aber dass ich auch nicht richtig sauer bin. Nur nicht gerade erfreut. In mir schwingt keine Schuldzuweisung, aber auch kein Verniedlichen. Diese Psychologie ist fein, sie liegt haarscharf neben dem "Du bist schuld". Wir sagen uns von Souverän zu Souverän, was zu sagen ist. Ohne Oben-Unten. Ohne Anspruchsdenken. Von Person zu Person. Lisa und Hubertus, Hubertus und Lisa.

Wir stehen da und haben unser Dilemma. Energie, Kräfte, Gefühle, Sonne, Wind, Stress, Leidtun, Blumen, Warten. Ich spüre, dass ich mein Rad umdrehen werde. Xenia und Felix drehen ihre Räder bereits um. Stillstand, Ohnmacht, keine Idee mehr, und: die neue Richtung beginnt, der Stillstand ist überwunden. "Ja, dann..." Wie können wir uns freuen, wenn einer unglücklich ist? "Also los, nach Hause." So ist das Leben! Angenommen. O.k.

"Ich glaube, ich schaffe es doch." "Waas?" "Ich komme mit." Na dann! So ist das Leben! Luftholen, durchatmen, kein Kommentar. Auf geht´s. Lisa summt vor sich hin und fährt den Berg rauf, ich schiebe. Die restlichen Stunden ist sie gut drauf, und wir anderen auch.

Freitag, 4. November 2016

Humanität und Tabu

Doch noch einmal Schule - aber versprochen, dann gibt es andere Posts. Es paßt aber grad so gut und ich will mich dem nicht entziehen. Ich poste Texte aus meinem Schultagebuch.

Sonnabend, der 8.5.

Die letze Stunde ist gerade sieben Minuten vorbei. Ich sitze im Medienraum, die Schreibmaschine vor mir. Die Kollegen sind weg, ab ins Wochenende. Ich bin allein und noch voll von der Aktivität der Stunden eben. Es summt noch in mir. Ich stecke noch in der Erfahrung.

Eben, ganz zum Schluß ging es darum, die Stühle wegzuräumen und runtergefallenes Papier aufzuheben. Ich kann Humanität realisieren, wenn ich davon absehe, durchzusetzen, dass alle hierbleiben, bis aufgeräumt ist. Ich habe erst bestimmt: "Alle bleiben hier, bis es sauber ist" - und es dann gemerkt. Ich lasse sie gehen. Ich bitte sie, mir beim Aufräumen zu helfen.

Als sie einige Minuten vor dem Gong bereits nach Hause wollen, lasse ich das nicht zu. Aufsichtspflicht, und überhaupt. Ich sage laut und unüberhörbar: "Bleibt in der Klasse!" Als Gefängniswärter realisiere ich Inhumanität. Wenn ich dann so human bin und das Papier selbst aufhebe - sie also nicht zwinge, etwas zu tun, was sie nicht wollen: Dann kommt mir diese "Portion Humanität" lächerlich vor. Ich sollte mir nichts vormachen. Doch wenn ich etwas aufstöbere, wo es geht - dann bitte ich eben.

Ich denke weiter über die Portionen Humanität nach, die ich ihnen vorsetze, und ich bin wütend. "Natürlich dürft Ihr Euch vor der Hinrichtung noch ein schönes Essen bestellen." Ich suche dauernd Essen für sie aus. Und ich bin wohl jemand in der Schule, der gut kochen kann. Und da diese Hinrichtungen die so Hingerichteten physisch am Leben halten, kann man es mit ihnen morgen ja wieder tun. Und so weiter. Und nur dann, wenn ein Kopf rollt (wenn ein Kind sich nach dem Zeugnis oder wann sonst umbringt), dann schaut man mal auf - und ist erstaunt (nicht erschreckt) über die Schwäche der Objekte, mit denen man es zu tun hat.

Vorher in der Pause auf dem Hof sind Marion und Petra aus der Schule in T. da. Sie haben heute frei und kommen eben mal vorbei, um mich zu besuchen. Das tut mir gut - und ich kann erfahren, was Humanität im inhumanen Feld bewirken kann. Ich habe dann eine freie Stunde. Ich gehe zu ihnen raus, wir sitzen im Gras und reden. Es ist sehr schön. In der letzen Stunde kommen sie dann in die 8a mit. Sie sind rasch integriert, sie haben Freundinnen hier. Und ich bin schnell der  "humane" Lehrer, sie machen es mir deutlich genug. Denn eben, draußen, war ich es ja tatsächlich: jenseits von Inhumanität, human ohne Anführungszeichen.

Als ich hier schreibe, kommt Kollege K, er hat noch aufgeräumt. Wir problematisieren "human - inhuman". Wir sind uns einig, dass das Verschleiern der Inhumanität es für die Lehrer aushaltbar macht - diese schizophrene Paradoxie hier. Ich will das nicht - und auch er hat Angst davor, so zu werden.

Ich erlebe den Anspruch der Kinder, Humanität zu erfahren. - ich erlebe ihn, weil ich mich ihm aufschließe. Wer sich ihm verschließt, sieht natürlich alles ganz anders. Ich aber erlebe ihn - und auch, dass ich ihn nicht realisieren kann. Es ist kein Anspruch auf gelegentliche Freundlichkeit. Es ist ein Anspruch auf Grundsätzliches. Die Einforderung grundlegenden Rechts: Die Würde des Menschen ist unantastbar ...

Und dann, nach dem Unterricht, nach dem Gong "ist ja alles nicht so schlimm". Warum? Weil ich dann nicht mehr direkt erlebe, was es heißt und bedeutet und bewirkt, inhuman zu sein. Unterricht ist ja vorbei ... und ich bin ab der 46. Minute sehr rasch in freundlicher und friedlicher Nachher-Stimmung. Da bin ich wieder in Übereinstimmung mit mir. Ich bin ein netter Mensch, habe Zeit, kann jede Menge human sein. Dieses Nachher-Verhalten ist auch von der Struktur her möglich. Man kann doch "persönlich" mit Lehrern gut auskommen ... Und schnell, ganz schnell, sinkt zurück, wie das eben noch war mit dem inhumanen Rasen, das sich Unterricht nennt. Ich erfahre die Inhumanität nach dem Unterricht einfach nicht mehr. Da erfahre ich Humansein. Und dann ist es leicht zu sagen: "Ist ja alles nicht so schlimm."

Die Verschleierung des Inhumanen während des Unterrichts ist ein riesiges Problem. Es gibt keine Diskussion darüber. Es herrscht völliges Tabu. Die betroffenen Erwachsenen, die Lehrer, transportieren das inhumane Geschehen - ihr inhumanes Tun - nicht in die Zeit hinter dem Gong. Wenn sie es denn überhaupt bemerken. Sie bringen ihre Erfahrung mit der täglichen Inhumanität nicht mit nach draußen, aus den Unterrichtsminuten hinaus. Es ist, als würde sie das Pausenzeichen in einen Bewußtseinszustand versetzen, der nicht mehr erfassen kann, was in den vergangenen 45 Minuten geschah. Die inhumane Monstrosität der gerade beendeten 45 Minuten widerspricht ihrem Selbstverständnis so existentiell, dass ihnen die eben realisierte Inhumanität nicht mehr bewußt wird. 46. Minute: Blackout, Realitätsverlust, Wahnsinn.

Die Kinder sagen sehr deutlich, was die Erwachsenne mit ihnen in den 45 Minuten machen. Aber in einer Sprache, die man nur versteht, wenn man die gesamte Problematik erfaßt hat. Und beispielsweise Lärm nicht als "Störung", sondern als Ausübung eines Grundrechts - auf Meinungsfreiheit - begreift. Und Nicht-Aufpassen nicht als "Unaufmerksamkeit", sondern als Ausübung eines anderen Grundrechts - des Rechts auf Gedankenfreiheit.

Mir fällt etwas zu gestern ein. Ich hatte Mathe-Arbeitsblätter für die 6b gemacht. Das Wetter ist schön, und mir kommt die Idee, dass wir sie doch auch draußen am Sportplatz bearbeiten könnten. Gedacht, getan! Sechs Minuten Weg bis dorthin. Sonne, Wärme, Wiese, Bäume. Es ist prima! Wir sind entspannt, und sie arbeiten auch mehr als sonst. Ich habe viel Ruhe und Zeit zum Erklären. Einige klettern auf die Bäume und füllen da oben die Arbeitsblätter aus. Ich bin gerührt: Da klettern sie auf ihre Bäume - und füllen da oben meine Schulblätter aus...

Donnerstag, 3. November 2016

Das Herz des Lehrers

Noch einmal Thema Schule. "Mit welchem Recht?" kommt schon sehr deutlich daher, und es wird ja auch unterschiedlich wahrgenommen: als liebevolle, die Hand auf den Arm legende Mahnung bis hin zum wütenden und verzweifelten Aufschrei. Da sucht sich jeder seine Resonanz aus, von Nachdenklichkeit über Betroffenheit bis zu Schuldgefühlen. Im dritten Post schreibe ich etwas über Lehrer, die um diese Dinge wissen und weiter in der Schule arbeiten wollen.

Lieber Lehrer, liebe Lehrerin:

Wenn man schon in der Schule als Lehrer arbeitet, dann kann man das mit dem klaren Bewußtsein von dem tun, was man dort anstellt. Das Wissen davon, dass man Unrecht tut, und dass man es als solches erkennt, teilt sich den Kindern ohne Worte mit. Die Haltung eines Lehrers, der weiß, was er tut, ist eine andere als die eines Lehrers, der mit einer imperialen, die Wirklichkeit verschleiernden Haltung vor die Kinder tritt. Auf die stumme Frage der Kinder "Warum tust Du das?", kann er antworten, ebenfalls ohne Worte:

"Ich weiß es nicht so genau. Vielleicht wegen meiner Biographie. Meiner Naivität. Weil ich die Zusammenhänge anders gesehen hatte und nun nicht aussteigen will. Wegen der vielen Vorteile: Geld, Macht, Arbeitsplatz, Pension, Urlaub. Wegen meiner Ideale, meiner Liebe zu Kindern, zum Frieden. Vielleicht wollte ich zur Entwicklung der Gesellschaft und der Menschheit beitragen. Aber jetzt sehe ich: Ich tue Euch Unrecht. Ich weiß es, und ich verschleiere es nicht. Ich sage nicht, dass das alles zu Eurem Besten ist. Ich lasse Euch in die Wahrheit meines Herzens sehen."

Die Kinder reagieren: "Er ist ehrlich. Er tut dasselbe wie die anderen Lehrer, aber es fühlt sich anders an. Das Leid, das von ihm ausgeht, hat nicht diese Wucht. Er achtet uns als vollwertige Menschen, auch wenn er uns und unsere Rechte unterdrückt." Die Zerrissenheit, stets um das Unrecht zu wissen, das man tut, es zu verabscheuen und nicht tun zu wollen, und es im gleichen Atemzug aber doch konkret zu tun, kompromisslos und entschieden zu tun, hat auch etwas Komisches und Befreiendes: Der Schleier vor der Macht ist zerrissen, sie ist ungeschminkt zu erkennen. Das, was geschieht, unterliegt nicht länger einem Tabu, gleichsam gottgewollt, unhinterfragbar, sondern wird bei aller Unrechtmäßigkeit und Belastung verständlich, überdenkbar, kritisierbar. Genau solche Prozesse löst dieser Lehrer mit seiner Wahrhaftigkeit aus, und genau das spüren die Kinder, und genau das hilft und heilt.

Lehrer mit dem Bewußtsein von den Menschenrechtsverletzungen, die von ihnen ausgehen, sind eine große Hoffnung für die Kinder. Sie sind nicht nur die, die den Gedanken an den einstigen Sturz der Schule verkörpern und ihn eines Tages mittragen werden. Sie sind vor allem diejenigen, die hier und heute Gleichwertigkeit und Personalität zur unausgesprochenen Grundlage der Lehrer-Schüler-Beziehung machen. Durch sie wird die Achtung vor der Würde des Schulkindes immer wieder eine konkrete und eindringliche Erfahrung.

Diese Lehrer haben eine spezifische achtungsvolle Ausstrahlung. Diese Lehrer lassen Fünfe grade sein. Diese Lehrer geben zu verstehen, dass sie Noten geben müssen, und dass diese Noten niemals etwas mit dem Wert der Kinder, sondern nur etwas mit dem Schulmaßstab zu tun haben. Diese Lehrer sind darüberhinaus eine klare Orientierung, denn sie stehen für sich selbst ein, lassen sich nicht auf der Nase herumtanzen, sind nicht falsch verstanden kinderfreundlich. Sie sind Lehrer mit all diesen Schul-Dingen, adultistische Missionare, aber solche, die die Würde der Kinder nicht aus dem Auge verlieren. Diese Lehrer haben eine von innen kommende Autorität, die sich nichts anmaßt.

Diese Lehrer haben etwas von der Harmonie wiedergefunden, von dem inneren Gleichgewicht, das sie nicht wirklich über die Kinder stellt. Sie stehen über den Kindern nur aufgrund der Struktur, die das von ihnen verlangt. In ihrem Herzen sind diese Lehrer auf einer gleichwertigen Ebene mit den Kindern, und sie geben der Schule, was der Schule ist, ohne Verbrämung, Pathos und Schönrednerei. Diese Lehrer haben sich dadurch, dass sie erkennen, was sie tun, auch zu sich selbst befreit, und ihre Persönlichkeit ist ohne Realitätsverlust und ohne Lüge.

Ein Lehrer, der diese Zusammenhänge erkennt, kann durch die Entschleierung der Realität und durch die Aufdeckung der Lüge sich selbst wieder im Mittelpunkt seines Lebens sehen, auch seines Lebens in der Schule. Er ist zunächst nicht für die Kinder da - er ist zuallererst für sich selbst da, verantwortlich für das großgewordene Kind, das er ist. Und er kümmert sich vor allem um dieses Kind: um sich selbst. Mithin ist er das 31. Kind in der Klasse, und bevor er sich den 30 anderen zuwendet, sorgt er für sich. Zum Beispiel dafür, dass es keine Grenzüberschreitung gibt, und zwar ihm gegenüber. Wenn Worte und Erklärungen nicht reichen, wenn Bitten und Ermahnungen nicht helfen, greift er energisch zu den Abscheulichkeiten, die die Schule zu seinem Schutz aufbietet: Lärm - wird im Keim erstickt. Keine Hausaufgaben - die Daumenschrauben werden angelegt. Ungehörigkeiten - es geht den Strafkatalog rauf und runter. Er setzt dann Autorität für sich ein, nicht aber gegen die Kinder. Und genau das nimmt seiner Aktion das Gift und macht sie erfolgreich.

Dieser Lehrer setzt sich für sich ein und dafür, dass er an seinem Arbeitsplatz zurechtkommt. Auch dadurch, dass er die Kollegen nicht durch zu viele Zugeständnisse an die Kinder gegen sich aufbringt.
Er behält die Übersicht. Er weiß, wo er gelandet ist, und seine befreite Sicht berwirkt nicht einen neuen Realitätsverlust: Er ist in einer Schule, nirgendwo sonst. Er wahrt die Balance zwischen den unzweifelhaft berechtigten Wünschen der Kinder, als vollwertige Menschen behandelt zu werden, einerseits, und den alltäglichen Anforderungen der heutigen Schule und seiner konkreten Arbeitssituation andererseits. Dieser Lehrer ist realistisch, aufgeklärt und so einfühlsam und hilfreich, wie er sich das in Abschätzung aller Möglichkeiten leisten kann. Er transportiert Humanität und Freundlichkeit offen oder auch auf Schleichwegen ins Klassenzimmer, so wie es kommt, flexibel, ohne sich unter Druck zu setzen, ohne Stress. Seine Klarheit befrei ihn auch hier.

Ein solcher Lehrer weiß auch, dass er die Schule jederzeit verlassen kann. Wenn er jedoch bleibt, hält er sie aus, und auch das, was er dort tut. Und warum sollte er die Schule auch verlassen? "Wenn Du gehst, kommt Herr Meier an Deiner Stelle, das wollen wir nicht": Das Votum der Kinder ist eindeutig. Und bei allem Leid, das von ihm kommt, fühlen sie sich doch von ihm gestützt und geachtet. Die Botschaft, die von diesem Lehrer ausgeht, ist eine machtvolle, in Untergrund und im Herzen wirkende Strömung: "Ich bin ein vollwertiger Mensch von Anfang an - so wie Ihr auch. Ich glaube an mich - so wie auch Ihr an Euch glauben könnt. Ich liebe mich so wie ich bin - so wie auch Ihr Euch lieben könnt, wie immer Ihr seid."

Mittwoch, 2. November 2016

Mit welchem Recht, Teil II

Ich setze meine Überlegungen zum Thema Schule fort. Im letzten Post ging es um Gedankenfreiheit, Gleichwertigkeit, Meinungsfreiheit. Heute geht es um Freizügigkeit, körperliche Unversehrtheit, Beurteilungs- zwang, Traumatisierung. Ich wiederhole, dass ich sehr wohl sehe, was die Schule und die Lehrer und Lehrerinnen an Hilfreichem für die Kinder leisten. Aber mir geht es um etwas sehr Grundsätzliches, um den inhumanen Subtext der Schule. Ich wünsche mir die Rehumanisierung der Kindheit und ein neues Kapitel bei der Vermittlung unseres Wissens. Doch wie soll Neues gelingen, wenn zunächst nicht erkannt wird, was geschieht? Schauen Sie mit mir hin, lassen Sie sich von der tiefgängigen Redewendung "Mit welchem Recht?" treffen und inspirieren.

Lieber Lehrer, liebe Lehrerin:

Mit welchem Recht sperren Sie Menschen ein? Warum sind Sie die Person, die Kinder in engen Räumen gefangen hält? 30 Personen in einem einzigen, wenige Quadratmeter großen Raum, 45 Minuten um 45 Minuten, 4, 5, 6, 7, 8mal am Tag, 5 Tage in der Woche? Warum müssen die Kinder durch Sie 10 Jahre lang erleben, dass sie viele Stunden am Tag in ein Gefängnis gehören, in das "Teilzeitgefängnis Schule"? Mit welchem Recht mißachten Sie die "Freiheit der Person" des Grundgesetzartikels 2? Warum lassen Sie zu, dass die Kinder Ihnen hinter verschlossenen Türen ausgeliefert sind? Mit welchem Recht fördern und garantieren Sie tagtäglich diese umfassende Kindesmißhandlung? Warum geben Sie sich für etwas her, für das die Bezeichnng "Gehirnwäsche" milde, "Seelenmord" drastisch ist? Warum lassen Sie sich dafür einspannen, in einem gigantischen Umerziehungslager, das Menschen ihre Identität bricht und neu justiert, den Vorsitz dieser Barbarei zu übernehmen? Mit welchem Recht lassen Sie zu, dass Menschen in Not nicht bei denen Schutz und Trost finden können, denen sie vertauen und die sie brauchen? Wenn eine Siebenjährige in der dritten Stunde nach Hause zu ihrer Mutter will - was verführt Sie zu der Unmenschlichkeit, das nicht ohne Wenn und Aber zuzulassen?

Mit welchem Recht greifen Sie in die grundgesetzlich garantierte körperliche Unversehrtheit anderer Menschen ein, indem Sie mit tausenderlei Anordnngen ein bestimmtes körperliches Verhalten verlangen und ein anderes verbieten? Nicht nur im Sport-, Schwimm- und Musikunterricht, sondern den ganzen Schultag über auf Schritt und Tritt?

"Setz Dich! Steh auf! Steh still! Sitz ruhig! Sitz gerade! Sitz ordentlich! Hampel nicht! Wackel nicht! Kippel nicht! Füße runter! Knie zusammen! Zeig auf! Finger runter! Finger weg! Schreib schneller! Andere Hand! Hand geben! Hand auf! Zeig her! Gib her! Leg weg! Komm her! Geh weg! Geh langsam! Trampel nicht! Schlurf nicht! Renn nicht! Schlag nicht! Box nicht! Tritt nicht! Kratz nicht! Beiß nicht! Spuck nicht! Spuck aus! Kaugummi weg! Puste nicht! Mund auf! Mund zu! Iss nicht! Iss jetzt! Trink nicht! Trink jetzt! Schmatz nicht! Schlürf nicht! Sieh her! Sieh weg! Lach nicht! Grins nicht! Sing nicht! Pfeif nicht! Kreisch nicht! Kicher nicht! Nase putzen! Schnief nicht! Jetzt nicht aufs Klo! Schrei nicht! Heul nicht! Rede lauter! Rede leiser!"

Mit welchem Recht geben Sie eigentlich Noten? Haben die Menschen vor Ihnen Sie darum gebeten? Mit welchem Recht verlangen Sie Auskunft über die Gedanken anderer Menschen? Mit welchem Recht verlangen Sie, dass andere Menschen ihre Gedanken auf Ihr Papier schreiben, das Sie hochtrabend "Klassenarbeit" nennen? Mit welchem Recht beurteilen Sie Kinder, mischen Sie sich in das Selbstwertgefühl anderer Menschen ein, stiften Sie Unfrieden in den Familien, treiben Sie Kinder in den Selbstmord aufgrund Ihrer Schulzeugnisse? Wissen Sie eigentlich, was Ihre Noten in den Familien bewirken können? An seelischer Grausamkeit und körperlicher Mißhandlung?

Mit welchem Recht traumatisieren Sie die jungen Menschen vor Ihnen? Warum tun Sie das alles? Sind Sie nicht intelligent, Akademiker, können Sie nicht Zusammenhänge analysieren, Wirklichkeit erkennen? Was verschließt Ihre Augen? Sind Sie nicht angetreten, Menschen zu helfen, ihre Entwicklung zu fördern? Haben Sie nicht Sympathie für die Kinder? Lieben Sie nicht die Kinder? Warum erheben Sie sich nicht gegen dieses System? Warum sind Sie der Garant für diese Inhumanität? Warum sind Sie so unsensibel? Liegt nicht alles offen vor Ihnen? Sagen Ihnen die Kinder nicht jeden Tag die Wahrheit, wortlos und immer wieder auch mit Worten? Warum sehen Sie nicht in die Gesichter der Kinder? Und warum achten Sie nicht auf ihre Mimik, Gestik, auf all die nonverbalen Signale? Sind vor Ihnen keine Menschen?

Und Ihre Erinnerung? Waren Sie nicht selbst Schulkind? Wurde mit Ihnen nicht ebenso verfahren? Waren die damaligen Schmerzen und psychischen Verletzungen denn berechtigt? Haben Sie nicht gelitten? Ist das Leid von damals zu groß, um heute zu erkennen, dass Sie selbst derjenige sind, der dies den heutigen Kindern zufügt? Ist das alles Wiederholungszwang, Wahnsinn, Schicksal? Mit welchem Recht...? Mit welchem Recht...?  

Fortsetzung folgt.