Montag, 15. Mai 2017

Kinderland: Schleichwege fahren I



Aus meiner Kinderforschung.


Drei Kinder (11-13) stehen hinten auf der Stoßstange des Autos. Ich fahre
langsam, abgelegene Pfade, Feldwege. "Schleichwege fahren" nennen sie das.
"Dürfen wir hinten mitfahren?" Es kam nur auf mein o.k. an. Auf nichts sonst,
sie überlegten nichts weiter. Aber ich: Ist das erlaubt (natürlich nicht), was
sagen die Eltern (nein, zu gefährlich), was kann nicht alles passieren. Wie
kommt es, dass ich ja sage? Da gibt es eine Größe in mir, die sich nicht mit
dem Intellekt erfassen lässt. Es ist ein sicheres Gefühl. Ein gutes Gefühl zu
den Kindern - parallel dazu ein schlechtes Gefühl zu der Erwachsenenwelt.

Ich möchte meinem guten Gefühl nachgeben. Es ist einfach wertvoller, mit
den Kindern zu leben, bei ihnen gute Gefühle zu haben, als die Regeln der
Erwachsenenwelt zu befolgen. Das "Wenn etwas passiert" ist bei den Kin-
dern ganz anders aufgehoben als bei den Erwachsenen. Es ist, als ob wir uns
alle das Risiko teilen. "Wenn etwas passiert" - daraus wird mir kein Vorwurf
werden. Wir sind von gleicher Art. Wenn wir etwas tun, ist jeder für sich
selbst zuständig. Ich vertraue ihnen, dass sie mir nichts vorwerfen werden.
Ich habe keine Angst vor ihnen. Und weil ich keine Angst vor ihnen habe,
kann ich bei ihnen der sein, der ich sein will: Ich kann sie auf der Stoßstange
mitfahren lassen.

Wir fahren durch Felder und Wälder, Sommerwind. Wir sind glücklich.
Ich lasse mich in dieses Spiel fallen, und nachdem ich rausgefunden habe,
bei welchem Tempo ich noch ruhig bin und sie noch Spaß haben, tun wir
dies so oft, wie es uns bei unseren Treffen in den Sinn kommt.