Freitag, 6. Oktober 2017

müssen und müssen























Gesprächsrunde mit sieben Müttern. Eine Mutter sagt: "Ich mach
so viel falsch. Ich krieg es oft einfach nicht hin. Und ich kann mich
dann nicht leiden." Sie sieht zu ihrer Freundin: "Du machst alles
richtig!". Die lacht und sieht das anders.

Tja. Meinen Vortrag habe ich gehalten. Wie das so ist mit der
Erziehungsfreiheit, der Souveränität, dem Sich-Selbst-Gehören.
Und: dass man keinen wirklichen Fehler machen kann, weil letzt-
lich niemand der Oberschiedsrichter ist.

Verpufft. "Ich mache so viel falsch". Sie will ihre Fehler erkennen,
daran arbeiten, eine bessere Mutter werden. Es schwingt mit, was
sie alles muss, besser: müßte.

"Sie müssen gar nichts", sage ich. Nicht in diesem Sinne. Ich
erkläre, wie ich das meine. "Sie müssen nicht einmal leben. Sie
wollen." Belehr ich sie? Als Besserwisser? Was soll das bringen,
ihr den Unterschied von "müssen" und "müssen" klar zu machen?

"Sie müssen nicht tanken. Niemand muss autofahren. Jeder kann
laufen." Es geht um dieses Müssen. "Aber wenn sie autofahren
wollen, müssen sie tanken." Das andere Müssen. Über das wir
selbst befinden, das uns nicht im Griff hat.

Sie ist da aber fest im Griff. Sie muss ihre Fehler erkennen und
eine gute Mutter werden. Ich erzähle hin und her, dies und das.
Rote Ampel, Steuern zahlen, Kinder wickeln: Wir müssen da gar
nichts. wir wollen. Konsequenzen, wenn wir nicht tun, was wir
müssen, sind bekannt. Nur: dass wir eben nicht müssen!

Die anderen hören zu. Noch habe ich das Gefühl, dass ich sie
nicht bedränge. Ich bin sehr deutlich. Kämpfe ich um dieses
Kind vor mir? Gegen die Dämonen unserer Kindheit? Zeige
ich ihr ihre Würdekrone? "Sie gehören sich selbst." Und ich
zeige ihr dieses Tor zu der anderen Welt: "Sie können sich
lieben, so wie Sie sind. Sie sind die Schönste im ganzen Land -
frisch gelogen, trotzdem wahr! Sie können sich in Ruhe lassen,
müssen sich nichts übelnehmen."

Es gibt dann diesen Moment, wo sie wirklich zuhört. In Resonanz
gerät zu meinem Wortschwall. Wo ihr "Aber ich muss doch" leiser
wird. Wo sie in den kindlichen Blick fällt.

"Macht ja auch nichts, wenn Sie sich blöd finden. Es gibt keinen
Zwang, sich zu mögen. Es ist nur eine Möglichkeit, mit sich um-
zugehen. Schönreden statt Schlechtreden."

Beim Verabschieden gibt sie mir die Hand. "Wird schon", sage ich.
"Danke", sagt sie.